Standardgrüße von Commander Xay

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Das schwarze Loch in der Xay Page...

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Weit hinaus

"Ich liebe ausweglose Situationen", sagte ich mir.
Gleichzeitig erfaßte ich das Paradoxon meines Ausspruches, da es in einem menschlichen Leben nur eine einzige ausweglose Situation geben kann, nämlich die letzten Sekunden eines Lebens. Die anderen angeblich ausweglosen Situationen waren es offensichtlich nicht, da man bis dahin immer einen Ausweg gefunden hatte, wenn er auch schlecht war.

Nach meiner Auffassung befand ich mich in einer wirklich hoffnungslosen Situation, in die ich mich mit voller Absicht selbst gebracht habe.
Nach diesem letzten Streit (ich will mich nicht über Gegenstand und Teilnehmer des Konfliktes auslassen), habe ich mir einen dieser wunderbar weißen Raumanzüge unter den Nagel gerissen und bin durch eine Luftschleuse vor meinen Problemen davongeschwebt.
Zu diesem Zeitpunkt war es nur ein untergeordneter Tatbestand, daß das Generationenschiff weiterhin mit konstant 1 g beschleunigte, während ich mich in der Geschwindigkeit meines Ausstieges weiterbewegte, bis ich auf einen fernen Himmelskörper falle oder von ihm eingefangen werde, um von da an einen Satelliten zu bilden. Es ist ein erhebendes Gefühl, von nun an ein ewiger, wenn auch etwas lebloser, Bestandteil der Schöpfung zu sein.
Dieser Gedanke war wohl etwas dumm.
Ich brauche nur in eine Sonne zu stürzen, auf einen Planeten zu prallen, in einer Atmosphäre zu verglühen und aus ist es mit der Herrlichkeit.
Also darf ich mich nur als ein (noch) lebender Meteorit fühlen.
"In Ordnung, mit Dir kann man nicht diskutieren", sagte ich mir, wie ich auch den letzten Dialog mit meinem Konfliktpartner auf dem Schiff beendet hatte.
Klingt sehr dramatisch, der Gedanke mit dem letzten Dialog.
"Zurück zur Realität", ermahnte ich mich.
Ich konzentrierte mich auf den Anzeiger für den Sauerstoffvorrat, wie ich mich immer auf einen spannenden Film oder ein gutes Buch konzentriert habe. Nur noch fünf Minuten blieben.
In fünf Minuten mußte ich den abgeklärten Zustand erreicht haben, der für eine Situation wie diese nötig ist. Ich bin auch ganz entspannt, außer wenn ich an den Streit denke, werde ich noch etwas wütend.
So schwebe ich dahin, gebe mich dem Universum als Ganzes hin, umfasse mit meinen Gedanken das ganze Weltall, verdamme die Expansion des Menschen zu den näheren Sternensystemen, betrachte es als kosmischen Umweltschmutz, mit dem menschlichen Geist und Verstand die anderen Planeten zu verseuchen und bin zufrieden über meine innere Stille.
Ich befragte wieder das Meßgerät.
"Zwei Minuten bleiben Dir, dann bist Du schon nicht mehr hier", intonierte es mit einem hellen Stimmchen. Seltsam, Meßgeräte können nicht reden und erst recht nicht reimen.
"Du wirst verrückt", brach es aus meinen Stimmbändern hervor.
Ich will nicht, daß sich meine Gedanken verwirren, ich will die letzte Sekunde stolz und aufrecht erleben (soweit die Schwerelosigkeit dies zuläßt) und nicht als panisches Nervenbündel enden.
Es war der Streit, der mich so reagieren läßt, das ist ganz sicher.
Oder war meine geistige Vorbereitung auf die letzte Sekunde gescheitert?
Wenn dies so wäre, dann war der lange Schwebeflug umsonst gewesen, ich hätte gleich ohne Anzug die äußere Schleuse öffnen können.
Ich funkelte zornig die fernen Sterne an.
Sie waren schuld, daß ich mich hier befand.
Es war damals auf der Erde unter freiem Himmel, als ich den Entschluß faßte, dort oben ein neues Leben anzufangen. Damals riefen sie mich, und ich gehorchte ihnen.
Doch um ein neues Leben anzufangen, muß man ein altes beenden, tröstete ich mich jetzt und führte meine Vorbereitungen für die letzte Sekunde weiter fort.
"Du bist jetzt Weltraumdreck", hallte es von den Sternen wider.
"Und ihr seid alte Schachteln, die bald ausgebrannt sein werden", rief ich zurück.
"Du hast aber auch nur noch 3 Sekunden", mischte sich das Meßgerät ein.
Drei, Zwei, Eins.
Das Zischen des Atemgerätes erstarb.
Es bleibt nur noch die Luft, die sich im Anzug befindet.
Nun wurde mir klar, daß ein Tod durch Ersticken sehr grauenvoll sein kann.
Du beginnst Luft zu schnappen, die immer weniger Sauerstoff enthält, deine Augen fangen an, fahrig durch die Gegend zu rasen, in deinem Kopf staut sich ein unwirklicher Druck.
So langsam und qualvoll wollte ich nicht sterben, sondern schnell und würdevoll.
Meine Hände tasten sich zu den Verschlüssen des Helmes hoch.
Ich hasse ausweglose Situationen, dachte ich, dann ertönte ein zweimaliges kurzes Schnappen und ein kurzes Zischen begleitete meinen letzten Gedanken, der nicht vollendet wurde.