Standardgrüße von Commander Xay

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Das schwarze Loch in der Xay Page...

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Ein Anfang

Das kleine, schwarze Tier zuckte in seiner Hand. Es ruckte, brüllte und spie Feuer, aber es biß nur die anderen. Die HK-P5/7 "Neural-Extender" suchte zielsicher die Orte des Todes und sandte ihre metallenen Boten des Kalibers zwölf, von den Gedanken ihres Meisters und einem Ziellaser gesteuert.
Inmitten des qualmenden Chaos blieb ihm keine Zeit, über Funktionen nachzudenken, er war nur dankbar über die summende Zuverlässigkeit dieses Qualitätsstückes. Er wollte eigentlich nicht hierher, aber der Auftrag versprach eine Entlohnung, die ihn einige Zeit am Leben halten würde.
Als er den Kontrakt mit dem Kunden unterschrieb, da wußte er noch nicht, daß es eine feuchte Angelegenheit werden würde. Das Fadenkreuz, direkt in sein Gehirn projiziert, suchte den letzten Widersacher. Ein Projektil kreuzte sein Blickfeld für den Bruchteil einer Sekunde und fuhr pfeifend links vorbei in die Wand des Lokales. Ein Holzsplitter streifte sein Ohr, blutende, indirekte Schweinerei erzeugend.
Das Logikmodul der HK NExt zeichnete eine blasse grüne Linie in den Raum, rückwärts ausgehend vom letzten Einschußloch, nur sichtbar für die Augen ihres Besitzers. Eine knappe Bewegung hinter der Theke bestätigte das andere Ende der Schußbahn und so schwebte das rote Kreuz, einer lauernden Katze gleich, über dem armen Benachteiligten, der sich dem falschen Herren verdingt hatte. Bitte keine Gedanken an das Opfer verschwenden, diese sind kein Teil des Vertrages und Emotionen wirken geschäftsschädigend.
Nach Sekunden der wartenden Stille erhob sich blitzschnell der Lauf einer Cobra über die hölzerne Theke. Der TimeStripper wurde aktiv, die Zeit streckte sich subjektiv und die Bewegungen des Feindes wurden zäh wie kalter Honig. Die HK NExt führte eine Überdeckung von Fadenkreuz und Mündung des Feindes durch und schon verließen zwei Projektilen den Lauf.
Das erste Geschoß explodierte mit der Kugel vor dem gegnerischen Zündschloß und sprengte die Cobra aus der Flugbahn des zweiten. Dieses verwirbelte den Rauch vor dem Gesicht des Zieles und passierte die Mitte des "T", gebildet aus Augen, Nase und Mund. Beim Eintritt in den Schädel reduzierte sich die Geschwindigkeit der metallenen Kugel erheblich, hatte dennoch genug Trägheit, um hinter der Theke zwei gute Flaschen alten Whiskeys zu zerstören.
Blut und Alkohol vermischten sich noch in der Luft zu einem Cocktail für genußsüchtige Vampire.
Der Time-Stripper war die Investition wert gewesen. Aktiviert durch spezielle Hormone hat das Gehirn für kritische Aktionen die zehnfache Arbeitszeit zur Verfügung.
Die Sicherheitsabschaltung wurde nach drei Sekunden realer Zeit aktiv, da ein zehnfacher Energieverbrauch diese Zellen auf Dauer zerstören würde.
Der Auftrag war ausgeführt und so erhob sich Xay hinter seiner Deckung, die HK NExt immer noch im Anschlag und den Koffer mit den erbeuteten Speichermodulen unter den linken Arm geklemmt. Er neigte den Kopf nach links und wischte so das Blut von der Halsseite an der Schulter ab. Das Jackett konnte er sowieso wegschmeißen, der Pulverdampf würde noch nach zwei Wochen Reinigung im Stoff sitzen und leicht stinken.
Ein kurzer Check des Raumes bestätigte, daß kein Unschuldiger durch seine Waffe verletzt war. Rückwärts bewegte er sich in Richtung Ausgang, verharrte, stellte den Koffer ab, zog einen Creditchip aus seiner linken Brusttasche und warf ihn dem Wirt zu.
"Für die Einrichtung", sagte er knapp. Das war durch sein Spesenkonto abgedeckt, man soll ihm keine Inkorrektheit nachsagen können, der Auftraggeber hat das zu bezahlen, auch ohne Quittung.
Als er die Tür hinter sich zuzog, nickte er kurz und sah als letztes die hochgezogenen Brauen des Besitzers über respektvoll funkelnden Augen. Das war der ideelle Lohn, den er regelmäßig für sein Ego forderte.
Nach dem gedanklichen Intermezzo kehrten seine Gedanken zum Auftrag zurück und arbeiteten schon am Grund für die Regeländerung in letzter Minute.

*

Der Abend verlief positiv bis jetzt. Lisa hatte noch ein Rendezvous mit einem gutzahlenden Kunden, mußte aber noch jemanden mitbringen -so war es ausgemacht. Der Mann bezahlte gut und verlangte nichts Perverses, nur ein wenig Entspannung, er wollte heute mit einem Geschäftsfreund einen Vertrag unterschreiben und abends noch etwas Besonderes anbieten.
Leider waren alle anderen Mädchen schon seit zwei Wochen ausgebucht und eine Häßliche wolle sie nicht zu einem Stammkunden mitbringen.
Sie rief "Verbindung zu Mona" in Richtung des Phons. Das Freizeichen leuchtet dunkelgrün über den Bildschirm und dieser wurde auch schon hell.
"Hi, hier ist Mona, bitte reden Sie nach dem Piep.". Herausfordernd blickten ihre Augen vom Bildschirm, sie hatte sich wirklich Mühe gegeben mit dem Anrufbeantworter. Wer würde nicht dahinschmelzen unter diesen Augen.
Mona wehrte sich immer dagegen, professionell zu werden und blieb konstant freischaffend. Keine Verpflichtungen, keine Bindungen, keine Angst.
"Huhu, Lisa hier, nimm ab, ich weiß, daß Du da bist."
"Da bin ich doch schon". Sie machte sich einen Scherz, der Anrufbeantworter war nur gespielt gewesen. "Was liegt an?"
"Ich suche jemanden, der mit mir ausgeht. Ich werde heute zwei Herren treffen. Bezahlen gut. Aber das geht nur zu zweit."
"Nein, heute habe ich eigentlich keine Lust für so etwas und Geld brauche ich sowieso keines, Schätzchen. Ich fürchte, Du mußt Dir jemand anderes suchen."
Der Gesichtsausdruck war wirklich ablehnend. Hatte sie wieder einen neuen Freund?
"Bitte Mona, Du brauchst die Knete vielleicht nicht, aber ich um so mehr. Die Miete fürs Appartement steigt um 20% nächsten Monat, ich komme mit meinem Geld für die Schutzmänner in Rückstand. Bitte." Sie legte das Flehende eines kleinen Kindes in ihren Blick. Das Bonbon wollte sie unbedingt haben.
"Es wird Spaß machen, sie sind normal."
"Lisa, ich weiß nicht." Sie schaute nach rechts auf ein Objekt außerhalb der Kamera und verzog den schmalen Mund "Ach Teufel, ich komme mit. Hier habe ich heute sowieso keinen Erfolg. Kommst Du mich abholen? Bis gleich."
Der Bildschirm wurde dunkel und verwandelte sich wieder in einen hochaufgelösten Chagall.
Sie würde Ihren Neuen rausschmeißen und die wiedergewonnene Freiheit in den Abend investieren. Das würde eine tolle Stimmung geben. So ist Mona eben.

*

"Herr Korakov, von Ihnen wurde ein Kuriergeschäft unterzeichnet und bezahlt und nicht fünf Beerdigungen. Das hat die Sache erheblich verteuert. Ich habe keine Dienstleistungen zu verschenken."
Xay betrat mit diesen Worten das Büro des Business Man und schloß die lederverkleidete Tür hinter sich. Er trat vor den Schreibtisch, blieb stehen und stellte den Koffer auf die glattpolierte, schwarze Oberfläche.
Der Raum war dunkel bis auf die Strahler über den Gemälden und dem integrierten Display unter der Glasplatte im Schreibtisch.
Korakov saß mit dem Rücken zu ihm und starrte aus dem Fenster in die lichterfüllte Schwärze der Großstadtnacht.
Stirnrunzelnd trat Xay hinter den Schreibtisch und drehte den Sessel herum, nachdem Korakov keine Anstalten machte, sich zu bewegen. Er würde es auch nicht mehr können, denn die hervorquellenden Augen und der rote Streifen um den Hals zeichneten ein eindrucksvolles Bild von der atemberaubenden Tätlichkeit eines Assassinen. Die Sache verwandelte sich immer schneller in ein finanzielles Chaos. Jetzt mußte er sich entscheiden. Das fünffache Leichengeld in den Wind schießen und als nichteinbringbare Forderung abschreiben oder in die Suche nach dem Verursacher investieren und diesem die Rechnung präsentieren. Die erbeuteten Speichermodule sollten einen Teil des Schadens abdecken und so beschloß Xay, den Vorgang zu den Akten zu legen.
Rein aus Interesse an der Qualität der Arbeit untersuchte er die Leiche des Import/Exportkaufmannes und revidierte seine Entscheidung. Zwischen den Fingern fand er einen Papierschnipsel und ein kurzer Blick auf den hiergebliebenen Teil des abgerissenen Blattes offenbarte einen Rest des Wasserzeichens, das er auf die Bögen seiner Kontraktpapiere aufbringen ließ. Die Dinge gerieten leider in einen Zusammenhang.
Auf dem erleuchteten Display befand sich eine Liste der letzten Kontenbewegungen von Karakov, unter anderem ein Transfer zu einem wohlbekannten Account. Die gute Nachricht war, daß Karakov nachgewiesenermaßen bezahlt hatte (inklusive Bonus), die schlechte war, daß ein ominöser Gegner wußte, an wen, wieviel und wofür. Damit war Xay die Entscheidung in seinen Grundsätzen abgenommen und es war angeraten, den Gegner schnellstens kennenzulernen.
Vielleicht hätte er ja auch Interesse an einem Geschäft.
Er schnappte sich den Koffer vom Tisch, verließ das Büro und betrat den Gang.

*

Sie stiegen beide aus dem Taxi vor dem achtzig-stöckigen Gebäude aus blauem Stahl und grauem Glas. Obwohl nur die untersten fünf Etagen angestrahlt wurden, sah man doch noch das obere Ende, wenn man den Kopf ganz in den Nacken legte. Ein dunkler Schatten verdeckte die Sterne über ihnen, vereinzelt mattes Licht hinter den Glasscheiben.
Mona bezahlte den Taxifahrer, dieser sollte warten, bis sie in das Gebäude gelassen wurden. Ein hinreißendes Paar stellten sie beide dar, Lisa in roter Seide mit hohen, schmalen Absätzen und die blonden Haare in wildem Sturm geformt. Mona war gekleidet in ein diskretes, langes Abendkleid, das nichts zeigte, außer der Form einer griechischen Göttin mit dem gebundenen schwarz-rotem Haar. Ein fast nicht zu erratender südländischer Einfluß machte das Gesicht zu einem Traum von Sonne und Strand. Als Kontrast blitzten am unteren Ende des Kleides die schwarzen, polierten Stiefel eines Soldaten auf, im besten Modegeschäft der Stadt verfeinert für den Gesellschaftskampf.
Der Pförtner mit seiner lange Berufserfahrung ließ die beiden ungleichen, kichernden Schwestern hinein. Der Herr aus dem 16.ten hatte so etwas angekündigt. Schönen Betrieb muß er oben haben, zuerst der geschniegelte Riese im schwarzen Anzug, dann die seltsame Figur mit dem blutverschmierten Revers und nun zwei Nobel-Nutten. Der Riese hatte sich regulär angemeldet und er schickte ihn nach Rücksprache hoch in den 16.ten. Der wütend dreinblickende, derangiert angezogene Kerl mit dem kalten Blick zeigte ihm eine unterschriebene Berechtigung und die Damen waren vorher angekündigt. Eine wirklich illustre Gesellschaft.
Die beiden Mädchen entfernten sich in Richtung Aufzug. Er würde sich die beiden nicht einmal eine Minute leisten können.
Sie stiegen in den Aufzug. Lisa sagte "16", der entsprechende Knopf wurde gedrückt, die Kabine ruckte an und glitt nach oben. Es machte "Ding" und die Tür öffnete sich.

*

Es machte "Ding" und die Tür des Aufzuges öffnete sich.
Instinktiv tastete sich die Hand vor an die Waffe, die bei der ersten Berührung den neuralen Kontakt aufnahm und sanft vor Energie vibrierte.
Ohne zu zögern schritt Xay weiter auf den Aufzug zu. Das erste was er sah, waren helle, grüne Augen, amüsiert, erstaunt und interessiert zugleich.
Seine Beine verharrten auf der Stelle. Zeitgleich stockten die Bewegungen der schönen, jungen Frau und spontan baute sich etwas auf, das schwer zu beschreiben war. Xay fühlte einen Kontakt, eine Berührung, eine Kopplung wie er sie bis jetzt nur mit der HK NExt hatte. Das kannte er nicht, er mußte es ignorieren. Nachdem das Gehirn nach einer Sekunde wieder klare Gedanken signalisierte, nahm er die zweite Frau wahr, auffällig gekleidet. Das Parfüm roch bis hierher, er wußte sofort, die Lady in schwarz würde keines benutzt haben.
"Guten Abend, meine Damen." eröffnete er wenig kreativ. Es mußte sich um Hostessen handeln, nach der Aufmachung der einen. Die beiden paßten aber irgendwie doch nicht zusammen.
"Abend. Karakov, ist das hier? Der Pförtner sagte, am Ende des Ganges."
"Das ist richtig, allerdings muß der Herr Karakov nach einer fesselnden Sitzung erst wieder zu Atem kommen, bevor er sich ihnen widmen kann."
"Dann sind Sie wahrscheinlich der gemeldete Geschäftspartner?", ein fragender, freudig überraschter, erwartender Blick der dunkelhaarigen Schönheit.
Das wollte Xay gerne bestätigen, aber es war nicht geplant, daß er heute hier anwesend ist. Etwas stimmte nicht. "HINLEGEN!".
Erstaunlicherweise reagierte die Katze mit den grünen Augen sofort und ließ sich fallen. Die Hochhackige glaubte an einen Scherz und meinte mit "Was schon hier?" witzig zu sein, als schon Schüsse krachten. Zwei vermeintliche Treffer wurden nur zu heißer Verwirbelung der Luft, aber sie sank mit einem Loch in der Brust zusammen und feiner, roter Nebel verteilte sich um sie herum. Das Blut hatte die Farbe ihres Kleides und ihre Gestalt auf dem Marmor mit der sich bildenden Lache wurde zum Happening.
"LISA!"
Das lange Abendkleid hinderte sie nicht daran, an die Tote heranzurobben und mit den Fingerspitzen zu betasten. Der Kopf fiel zur Seite und die leeren Augen ließen die Überlebende zurückzucken und sofort in Agonie verfallen.
Xay pumpte zehn Patronen durch den Lauf in die Tür des Treppenhauses.
Die Durchschlagskraft war gut genug für 1 cm besten Stahls und so kam der kurze Aufschrei nicht überraschend. Die Tür fiel zu.
Der Koffer flog in hohem Bogen hinter dekorative Blumenkübel. Xay sprang sofort aus der Bauchlage auf, hechtete über die beiden reglosen Frauen und war schon an der Tür. Vorsichtig öffnete er diese und spähte hinein. Er stieß sie ganz auf, die Waffe immer im Anschlag. Eine Blutspur führte treppab und schon hörte er das Schließen des Ausgangs zwei Etagen tiefer. Xay jagte unverzüglich hinterher, riß die Tür auf und suchte sofort Deckung. Ein kurzer Blick um die Ecke verriet: die Spur endete mitten im Gang. Der Gegner war gut und heute würde es kein Ergebnis mehr geben, er ist erfolgreich getürmt. Ein Fahrstuhl bewegte sich rasch abwärts.
Befriedigend war der kurze Adrenalinrausch gewiß nicht. Es gab zwei Leichen auf seinem Spielfeld und auf der anderen Seite der Gleichung nur Unbekannte, einer mit einer Wunde unbekannter Stärke. Er haßte es, einfach ins Leere zu laufen.
Der Aufzug hielt für fünf Sekunden im Erdgeschoß und bewegte sich dann zu den Parkdecks. Auf jedem einzelnen hielt er an. Mister X legte viele Spuren.

*

"Der Mann ist gut", dachte Azal bei sich. Es hätte schon Warnung genug sein können, daß er überhaupt hier aufgetaucht ist -und zwar mit dem Koffer.
Das hieß eigentlich, daß die Falle nicht die Erwartungen erfüllt und Karakov keinen einfacher Kurier geschickt hatte. Das Ergebnis waren ein Durchschuß im Arm und der neue Gegenspieler, den er nicht sofort ausschalten konnte. Im Laufen noch legte er sich einen Verband an.
Einen Waffengang konnte er sich heute nicht mehr erlauben. Er entfernte die Blockade des zweiten Fahrstuhles. Er hatte auf seine Ahnungen gehört und sich die Kabine in diesem Stockwerk reserviert. Sollte der andere doch schauen, wo er bleibt. Das nächste Zusammentreffen war vorprogrammiert, denn der Wicht hatte den Koffer. Aber Azal hat seinen Namen und die Kontonummer.

*

Das Arrangement im 16ten Stock war im wesentlichen unverändert geblieben.
Rot und Schwarz auf Weiß. Die Waffe wurde neu geladen und glitt in ihre Ruhestellung zurück.
Etwas hielt ihn davon ab, nach Standard vorzugehen. Alle Spuren beseitigen und unnötige Zeugen eliminieren, hieße das, aber er konnte dieser Frau keinen Schaden zufügen. Das war gar nicht gut, Professionalität und Ratio meldeten sich zu Wort, doch wurden ignoriert. Ausgerechnet jetzt.
"Sie haben verdammtes Glück, junge Dame." murmelte Xay und zog sie am Arm hoch, nachdem er die Tasche mit der Fracht geborgen hatte. Der Wert seines Inhaltes stieg bedrohlich an.
"Kommen Sie schon mit!". Er schob sie rüde Richtung Aufzug und erst als sich die Aufzugtür schloß, wandte sich ihr Blick von Leiche ab und bewegte sich irgendwo zwischen Nichts und Unendlichkeit. Diese junge Frau kannte den Tod nur aus dem Video, also mußte ihr soziales Umfeld einen gehobenen Standard erfüllen. Er drängte sie an die Wand, als sich der Fahrstuhl im Erdgeschoß öffnete und spähte mit vorgehaltener Waffe in den Vorraum.
Mister X hatte seinen Part der Zeugen erledigt, die deduktive Logik ermittelte aus dem roten Airbrush an der Wand hinter dem Tresen, daß der Pförtner wohl ebenfalls in diesem Bereich zu finden war, auf dem Boden.
Er taxierte den Koffer in seiner Hand. Das war heute ein schlechter Tag gewesen, dachte er bei sich und drängte mit seiner unfreiwilligen Begleiterin durch das Foyer hinaus auf die Straße. Unbehelligt stiegen sie in sein Auto und fuhren davon.

*

Eine halbe Stunde kreuzte er schon durch die dunkle Nacht, immer im Wechsel zwischen einsamen Nebenstraßen und befahrenen Hauptverkehrswegen.
"Was haben Sie mit mir vor?"
Xay verweigerte die Aussage und starrte geradeaus, die linke am Lenkrad, die rechte auf dem Schalthebel.
"Sie scheinen das gelernt zu haben."
Ihm war klar, daß sie nicht das Autofahren meinte. Er kniff die Lippen zusammen.
"Wohin fahren wir?"
Xay stieß hörbar die Luft durch die Nase, zog einen Mundwinkel nach oben.
"Lisa ist meine beste Freundin. Wir sind schon zusammen zur Schule gegangen. Ihre Miete wird nächsten Monat erhöht."
Xay konnte es sich nicht verkneifen.
"Sie WAR." stieß er hervor, woraufhin die Augen des Mädchens wieder in die Ferne wanderten und ihr Geist anscheinend den Körper verließ. Blaß war sie ohnehin, aber nun stellten Gesicht und Kleidung einen Kontrast dar, wie er größer nicht werden konnte.
Er machte nichts als Fehler heute abend. Er hätte sie sofort töten sollen. Jetzt waren die Wege nüchterner Überlegung verlassen und dafür hatte er keine Regeln aufgestellt.
"Sie sind gefährdet. Ich werde Sie bei mir unterbringen, bis die Sache ausgestanden ist."
Die Sache wurde extrem. Wenn er weiter sprechen würde, ohne nachzudenken, dann wird es für die nächste Woche kein Überleben geben.
"Ich korrigiere: wir fahren in meinem Hotel vorbei, holen meine Sachen ab und ich quartiere mich bei Ihnen ein. Meine Adresse wird gleich bekannt sein, Ihre werden unsere Gegenspieler erst in drei Tagen wissen."
"Was stellen Sie sich vor?". Fauchend fuhr sie herum und funkelte wieder mit lebenden Augen in Xays Richtung.
"Verehrte Dame", begann Xay in gefährlicher Ruhe, "der einfachste Weg wäre, Ihnen eine Kugel durch den schönen Kopf zu jagen und über die Brücke in den Fluß zu schmeißen. Das ist für mich auch immer noch eine offene Option. Eine weitere Möglichkeit wäre, Sie einfach aus dem fahrenden Wagen zu schmeißen und zu warten, bis Sie im nächstgelegenen Krankenhaus von unserer flüchtigen Bekanntschaft aus dem 16ten Stock ermordet werden. Dasselbe können Sie wahlweise auch bei sich zu Hause abwarten, wenn Sie wert darauf legen, daß ich Sie in Ruhe lasse."
Nun war die Reihe an Mona, die Lippen zusammenzukneifen und nach vorne zu starren.
Xay fuhr an den linken Fahrbahnrand und stoppte das Fahrzeug an der Brücke über den Fluß.
"Sie bleiben sitzen und bewegen sich nicht." - kompromißlos.
Er hob den Koffer vom Rücksitz, stieg aus und öffnete den Kofferraum. Vorsichtig packte er die Speichermodule in eine braune Sporttasche um und stopfte die Lücken mit drei Paar weißer Tennissocken aus. Anschließend trat er fünf Schritte beiseite und schleuderte den Koffer weit ausholend in die dunklen Fluten. Kaum vernahm er das Aufklatschen auf der Wasseroberfläche, als hinter ihm der Motor des Wagens angelassen wurde. Langsam drehte er sich um und schon war das Fahrzeug im Anrollen.
"So, so", murmelte er leise. Xay griff in die linke Brusttasche und holte die kleine Fernsteuerung hervor. Der Knopf, der das Auto zur Explosion bringen würde, verstrahlte eine gewisse, reizvolle Ausstrahlung. Es klebte sogar noch ein bißchen Blut von seinem Ohr daran.
"Der Speicher ist zu teuer." bemerkte er kurz und drückte auf .
Dreihundert Meter weiter gingen plötzlich die Bremsleuchten an und das Fahrzeug kam unvermittelt mit kreischenden Bremsen zum Stehen.
Langsam trottete er zum Wagen und als er die Tür zum Fahrersitz öffnete, war das Lenkrad bereits wieder frei.
"Wenn die Dinge so einfach wären, dann wäre ich bereits hundert Tode gestorben", nötigte er sich zu einer Erklärung.
Ein leicht rötlicher Streifen auf ihrer Stirn markierte die Position des Lenkrades im Moment des Verzögerns. Es mußte schmerzhaft sein, aber sie sagte kein Wort.


Er gab Gas und innerhalb von 10 Minuten waren sie in seinem Hotel. Er stellte den Wagen in die Tiefgarage, zog den Schlüssel ab und blockierte die Türen, so daß sie sich nicht mehr von innen öffnen ließen. Sie funkelte ihn hinter dem getönten Glas wütend an.
Jetzt keine Fehler, dachte er bei sich und nahm sich aus einer aufgebrochenen Abstellkammer eine Pagenuniform. Sie war etwas eng geschnitten und so sah man die Deformation durch die Waffe, wenn man genauer hinschaute.
Er stieg die Treppe bis in die erste Etage hoch, fand einen gleichartigen Raum und verließ diesen mit einem Servierwagen. Die HK NExt plazierte er auf einem Tablett vor seiner rechten Hand und deckte eine Serviette darüber, wobei der Griff allerdings frei blieb.
Unauffällig und unbehelligt gelangte Xay in den siebten Stock. Vor seinem Zimmer blieb er stehen, klopfte an die Tür und wartete fünf Sekunden, bis er "Zimmerservice!" sagte.
Er öffnete die Tür mit der hoteleigenen Chipkarte und trat mit dem Servierwagen ein, indem er sich so benahm, als sei die Tür von innen geöffnet worden.
Kaum im Zimmer griff er sich die drei Notfallkoffer, die nie ausgepackt wurden, und verstaute sie unten im Servierwagen, Tischdecke darüber.
Auf weißem Karton schrieb er "Kaufen Sie ES mir ab - ist billiger. Kontakten Sie per Email X@anonymous. blackzone.underground.com"
Er öffnete die Tür, schob den Wagen heraus und rief über die Schulter "Vielen Dank, mein Herr".
Bedächtig näherte er sich dem Aufzug. Zwei Gestalten kamen aus Richtung der Sitzgruppe am Ende des Ganges - groß und breit. Geschmeidiger Schritt.
"He, Kleiner!"
Die Konfrontation hatte er erwartet, seit er die Etage betreten hatte. Seine Hand bewegte sich unmerklich nach vorne, bis er die Vibration der Waffe fühlte.
"Ja, was wünschen der Herr?"
"Du warst eben in dem Zimmer von unserem Freund. War er allein?"
Xay fühlte sich in seiner Ehre gekränkt. Unverschämtheit, daß man solche Stümper zu ihm schickte - aber von Vorteil.
"Der Herr ist allein. Er erwartet aber Besuch, hat er mir gesagt." Die beiden blickten sich gegenseitig an.
"Und weiter?"
Getreu alten Sitten schob er die offene Handfläche nach vorne und lächelte sanft.
"Habe ich vergessen."
Ein zehn Credit-Schein wechselte seinen Besitzer.
"In spätestens zehn Minuten wird ein Kunde kommen. Nein, ich glaube, er hat eher gesagt: Ein Käufer. Dabei machte er ein so zufriedenes Gesicht, als ob er jemanden übers Ohr gehauen hätte."
Die Gesichter der beiden Mietlinge wurden finster.
Gedanken drängten sich in Xay zusammen. Hätten diese mit der Schießerei bei Karakov zu tun, dann wären sie längst eingedrungen. Jetzt wurde die Sache auch noch kompliziert, sollte da noch eine dritte Partei auftreten.
"Darf ich nun gehen?", äußerte sich Xay in gelangweiltem Ton und hielt forsch die Hand auf. Ein zehn Credit-Schein wurde ihm in die Hand gedrückt, "Danke", und er schob ab zum Aufzug.

"Hier ist das Hotel!"
Azal legte die unverbundene Hand von hinten auf die Schulter des Fahrers und wies ihn an, zu parken und beim Wagen zu bleiben.
Mit seinen zwei anderen Begleitern verließ er die dunkle Limousine und betrat die Eingangshalle, glänzend in gold, braun und grün. Überall strahlendes Licht und geschäftiges, gewissenhaftes Personal, ein paar Gäste auf den Ledergarnituren, im Raum großzügig verstreut.
"Der Kerl hat Niveau" entfuhr es ihm. Es war bekannt, daß dies eines der besseren Hotels der Stadt war. Er hatte auf der Fahrt hierher den Vertrag gelesen und wußte, was Mr. Xay für einen vermeintlich einfachen Kurierauftrag bekommen hatte. Xay war ihm kein Unbekannter gewesen, aber niemand rechnete ausgerechnet bei diesem Auftrag mit ihm. Azal mußte auch Karakov für seine Voraussicht ehren, denn ein anderer wäre nur schwer in der Lage gewesen, die Ware an sich zu bringen. Er konnte sich auch vorstellen, daß Xay leicht erregt war, da der Kontrakt solche Eventualitäten nicht vorgesehen hatte, doch würde das Karakov nun nicht mehr kümmern müssen.
Unbeachtet stießen sie zur Rezeption vor.
"Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?" Der Portier strahlte über das ganze Gesicht.
"Welche Suite bewohnt der Herr Xay?"
"Leider wohnt hier kein Herr Xay."
Das überaus professionelle Gesicht des Portiers veränderte sich kein bißchen, bis Azal leicht den Mantel beiseiteschob und darunter kurz den mattierten Lauf einer Schußwaffe blitzen ließ.
Das Lächeln ließ um 20% nach, der Hotelangestellte war offensichtlich schockiert.
"Wenn ein Herr Xay hier wohnen würde, dann hätte er mir sicherlich Konsequenzen angedroht, wenn ich sein Zimmernummer herausgebe."
Diesmal grinste Azal, allerdings nur mit dem Mund, die Augen blieben hart. Er griff ins Futteral des Mantels, woraufhin der Portier den Rest seines Lächelns fallenließ.
Doch völlig unerwartet kam die Hand mit einem kleinen Umschlag wieder zum Vorschein. Der Portier ging wieder auf 100% Lächeln, als er einen kurzen Blick ins Innere geworfen hatte.
"Ich werde doch keinen Lärm machen, wenn es nicht sein muß."
Hier war alles voll Kameras, also war ein Einsatz der Waffen verboten. Große Aufmerksamkeit konnte er sich im Moment noch nicht erlauben.
"Ich denke, es könnte gut die 708 sein."
"Das ist nett. Dann werden wir ihn mal schnell überraschen."
Ein Wink zu den beiden anderen und diese bewegten sich auf die Aufzüge zu.
"Ich bleibe hier, damit uns niemand die Willkommensparty versaut" grinste Azal in Richtung des Portiers und lehnte sich lässig an die Theke.

Heute muß ich ein besonderes Geschick mit Fahrstühlen haben, dachte Xay als sich dieser vor ihm öffnete, ohne daß er den Knopf gedrückt hatte.
Die beiden Hälften der automatischen Tür schoben sich auseinander und ein anderes Paar betrat die Bildfläche.
Soldaten, fuhr es Xay sofort durch den Kopf und er korrigierte sich sofort: das waren mal Soldaten gewesen, jetzt waren es Mietlinge wie die anderen beiden hinten im Gang.
Xay lächelte die beiden an und wartete, bis diese den Aufzug verließen. Dann schob er den Servierwagen hinein.
Noch während sich die Türen schlossen hörte er ein unterdrücktes "verflucht" und das schnurrende Rotzen von automatischen Waffen mit Schalldämpfern.
So leicht erledigten sich Dinge von selbst. Anscheinend wurden heutzutage die Kerle nicht mehr nach Intelligenz ausgesucht. Trotzdem nennt man das gemeinhin "verdammtes Glück".
Xay entschloß sich, Fortuna nicht weiter auf die Probe zu stellen und drückte den Knopf zu seinem Parkdeck. Der Aufzug hielt in der dritten Etage. Ein Herr im schwarzen Anzug und zwei Bodyguards stiegen hinzu und Xay grüßte höflich. "Welcher Stock?"
"Erdgeschoß bitte"
Das war Xay nicht so ganz recht, aber er drückte dennoch den Knopf. Der Aufzug beschleunigte kurz und hielt im Erdgeschoß. Die Fahrstuhltüren schoben sich beiseite und gaben den Blick auf das Foyer frei.
Während seine drei Fahrgäste die Kabine verließen, studierte Xay den Eingangsbereich. Der Portier an der Rezeption blickte in dem Moment in Richtung des Lifts, erkannte seinen Gast und erstarrte kurz, woraufhin sich ein anderer Mann im langen Mantel blitzschnell umdrehte und ebenfalls zum Aufzug herübersah. Ein Arm steckte in einem Schnellverband und plötzliches Erkennen trat in dessen Augen. Xay setzte ein Grinsen auf, als sich diese Person in fließende Bewegung verwandelte und den Fahrstuhl zu erreichen versuchte.
Jetzt weiß ich, wer du bist, dachte Xay, während sich die Türen schlossen und abwärts glitt die Kabine.
Etwas rummste noch kurz, aber das war schon weiter oben.
Bing. Fahrstuhltür, Fernbedienung aus der Tasche. Motor im gestreckten Lauf gestartet, Verriegelung des Kofferraumes und der Fahrertür schnappt auf, Koffer hinein, HK NExt nicht vergessen, Servierwagen wegstoßen, hinein, Rückwärts fünf Meter, 90 Grad Wende links, Geradeaus beschleunigt über Rampe, mitten in den Verkehr, quietschende Reifen, Hupe, rechts, links eingeordnet, rote Ampel, links abgebogen, rechts abgebogen, beschleunigt auf die Stadtautobahn. Blick in den Rückspiegel. Entkommen.
"War da eine Frau im Hotelzimmer, daß Du so schnell davonläufst?"
"Wie, was?" Xay wirkte geistig etwas derangiert. In der Konzentration hatte er seine Beifahrerin mental ausgeblendet und eigentlich nicht mit einer Konversation gerechnet.
"Du läufst doch vor Frauen üblicherweise davon, tapferer Kämpfer?"
"Wie, was?"
"Armer Kerl. Jetzt kommst Du ins Stottern. Als Du mich hier eingesperrt hast, habe ich ein bißchen über Dich nachgedacht und ich weiß jetzt, was los ist."
"Du verstehst da was falsch, so ist es bestimmt nicht"
"Ich habe doch noch gar nichts gesagt." Sie grinst. So unsicher hat sich Xay lange nicht mehr gefühlt. Es mußte sich um ein und denselben Grund handeln, weswegen er sie nicht getötet hatte, weswegen er diese Sprüche akzeptiert und weswegen er sich jetzt selbst angegriffen fühlt. Wo war seine Verteidigung geblieben? Er bekam keinen klaren Gedanken mehr hin und versuchte sich auf den Gegner zu konzentrieren, den Blick stur geradeaus.
Ehemalige Soldaten mit einem einzelner Killer. Er arbeitet nicht per Auftrag, sondern ist fest angestellt. Der Staatsdienst kommt nicht in Frage, sonst hätte sein Auftreten wesentlich offiziellere Züge getragen - wie die zwei Männer auf der Hoteletage (somit war das auch klar, doch was hatte der Staat in der ganzen Sache zu suchen?). Nur ein großer Konzern konnte sich solche Qualität in Festanstellung leisten.
"Wenn wir zu mir wollen, dann mußt Du jetzt gleich abfahren. Belleville 3112."
Xays Kopf ruckt herum. "Kein Wort mehr!"
Nur ein wissendes Lächeln hallt als stumme Antwort nach, als der Wagen auf der Abfahrt langsam seine Geschwindigkeit herabsetzte.